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Fallbeispiel: Mohamad B.

Mohamad B. kommt aus Syrien und ist seit 2015 in Deutschland. In seiner Heimat hat er bereits fünf Semester Medizin studiert. In Deutschland studiert er Zahnmedizin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

male portrait

Ahmad A. kommt aus Syrien und ist seit 2015 in Deutschland. Im Jahr 2008 hat er in Syrien Abitur gemacht und im Anschluss eine Ausbildung im Bereich Informatik absolviert. Wegen des Krieges ist er nach Libanon geflohen, wo er bei einer französischen Organisation als Lehrer für Geflüchtete in einer Schule tätig war. In Deutschland möchte er gerne Informatik studieren.

INTERPRETATION

Ich finde, das ist ein Missverständnis, weil es unterschiedliche Kulturen sind. In Syrien hat es Tradition, dass die eingeladenen Menschen nichts bezahlen, sondern nur die Person, die eingeladen hat. Der Deutsche hat vielleicht verstanden, dass die Einladung nur zum Sprechen und Zusammensitzen war. Bei der Bezahlung in Deutschland ist es normal, wenn man getrennt zahlt, deshalb hat der deutsche Mann entschieden, dass er getrennt bezahlt.

 

In einer ähnlichen Situation möchte ich mich nicht ärgern, weil ich bedenken muss, dass der deutsche Mensch nicht syrisch ist und zu einer anderen Kultur gehört. Man kann es anstatt einer Beleidigung, als ein positiver Schritt sehen, getrennt zu bezahlen, damit ich nicht mehr bezahle als meine Mahlzeit.

Interpretationen
Lächelnder Mann

Jonas L. kommt aus Hamburg und ist für sein Informatik-Studium nach Kiel gekommen. Sein Vater ist in England geboren und seine Mutter ist Deutsche. 

INTERPRETATION

Also ich kann die Sicht des Deutschen nicht so richtig nachvollziehen. Wenn man mir sagen würde, ich lade dich ein, dann hätte ich auch eher erwartet, dass man tatsächlich eingeladen wird und dann nicht nur zusammen essen geht. Das heißt, dass die Person auch zahlt. Ich kann verstehen, dass man dann irritiert darauf reagiert, wenn man erfährt, dass man getrennt zahlt. Wäre ich in der Rolle des Deutschen gewesen, hätte ich nicht gesagt, ich lade dich ein, sondern hätte gefragt, ob wir zusammen etwas essen gehen wollen. Dann wäre klarer gewesen, dass es nicht eine Einladung in dem Sinne ist. Wenn ich schon sage, ich lade dich zum Essen ein, dann würde ich auch anbieten, für die andere Person zu zahlen.

lächelnd Frau

Annika H. (47) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und unterrichtet im Bereich der sozial-kommunikativen Kompetenz und Selbstkompetenz. Sie ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Auf zahlreichen kürzeren und längeren Reisen hat sie Auslandserfahrungen gesammelt.  

INTERPRETATION

Die Situation ist ein kommunikatives Missverständnis. Ich denke, dass es von vornherein falsch verstanden worden ist, ob es sich um ein gemeinsames Essen oder eine Einladung handelt. Mohamad ist davon ausgegangen, dass eine Einladung auch eine Essenseinladung ist. Für seinen deutschen Nachbarn war es keine Einladung, sondern ein gemeinsames Essen, in dem jeder die Rechnung für sich bezahlt. In meinem Erleben wird es in Deutschland sehr eng und klar gesehen, wie was bezahlt wird. Das ist den Deutschen wichtig.

Ich hatte mal ein Erlebnis mit einer Kellnerin aus einem anderen Kulturkreis, als ich mit einer Gruppe von fünf Leuten essen war. Sie wollte es sich einfach machen und hatte vorgeschlagen, dass wir die Rechnung zusammen bezahlen und anschließend durch fünf teilen, weil wir alle ein Hauptgericht und etwas zu trinken hatten. Für mich wäre das völlig in Ordnung gewesen, aber die anderen deutschen Frauen, mit denen ich da war, wollten das auf gar keinen Fall und haben sich richtig aufgeregt. Es scheint also in Deutschland eine klare Regel zu geben, dass jeder sein eigenes Essen bezahlt.

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